
Interview mit Laura Hampfe, Logopädin am Institut für Neuro- und Sozialpädiatrie, Sozialpädiatrisches ZentrumHamburg-Ost
„Sprache ermöglicht Verbindung – doch nicht jedes Kind kann sich allein über gesprochene Worte ausdrücken. Viele Familienstehen deshalb vor der Frage: Wie unterstützen wir unser Kind dabei, sich mitzuteilen und am Alltag teilzuhaben?“
Laura Hampfe arbeitet seit vielen Jahren als Logopädin und begleitet Kinder, die aufgrund körperlicher, kognitiver oder neurologischer Einschränkungen Unterstützung in ihrer Kommunikationsentwicklung benötigen. Ihr Auftrag: Eltern informieren, Wege der Unterstützten Kommunikation vorstellen und gemeinsam herausfinden, welches Hilfsmittel Sinn macht – in der Familie, in der Kita oder in der Schule.
Was bedeutet Unterstützte Kommunikation eigentlich?
Laura: Unterstützte Kommunikation umfasst alle Methoden, die Menschen helfen, sich mitzuteilen, wenn gesprochene Sprache (vorübergehend oder dauerhaft) nicht ausreicht.
Dazu gehören unter anderem:
• Gebärden
• Symbol- und Bildkarten
• Kommunikationsmappen
• elektronische Kommunikationshilfen („Talker“)
Besonders häufig werden Metacom-Symbole eingesetzt – klar strukturierte Bilder, die Kommunikation erleichtern. (Rein informativ: www.metacom-symbole.de)
Talker selbst können aus einzelnen Tasten (statische Geräte) bestehen oder aus Tablets mit spezieller Software (dynamische Geräte). Sie kommen dann zum Einsatz, wenn Kinder motorisch oder sprachlich nicht ausreichend kommunizieren können.
Warum ist ein Talker so wichtig für die Teilhabe?
Laura: Teilhabe entsteht dort, wo ein Kind sich äußern kann – Wünsche, Bedürfnisse, Humor oder Entscheidungen. Wenn Sprache fehlt, entsteht schnell Frust. Ein Talker kann helfen, diese Lücke zu überbrücken und echte Kommunikation möglich zu machen.
Ein Talker unterstützt zum Beispiel, wenn …
• kaum oder keine Lautsprache vorhanden ist
• Signale und Bedürfnisse nicht verstanden werden
• der Wortschatz nicht ausreicht, um sich auszudrücken
• Teilhabe ohne technische Unterstützung eingeschränkt wäre
Ein zentraler Baustein der Unterstützten Kommunikation ist das Prinzip „Verstehen, Zuordnen, Reagieren“. Bevor ein Talker sinnvoll eingesetzt werden kann, braucht ein Kind die Fähigkeit, Dinge miteinander zu verknüpfen – also Bilder, Symbole oder Handlungen zuzuordnen.
Das kann ganz niedrigschwellig beginnen:
• Ein Bild von einer Seifenblase → jemand pustet Seifenblasen.
• Ein Foto eines Balls → ein Ball liegt bereit.
• So lernt das Kind: Was ich sehe, gehört zu dem, was passiert.
Darauf aufbauend entsteht der nächste Schritt: Ursache–Wirkung.
Wenn ein Kind auf dem Talker ein Symbol auswählt – z.B. „noch mal“, „Ball“, „Pause“ oder „ich will“ – reagiert das Umfeld unmittelbar. Genau diese Erfahrung stärkt Selbstwirksamkeit, macht Spaß und ist oft der Startpunkt für echte Kommunikation.
Viele Eltern fragen sich, ob ein Talker die Lautsprache „ersetzt“. Doch ein Hilfsmittel nimmt niemandem die Sprache weg. Es öffnet Wege, bis Sprechen möglich ist oder ergänzt die Lautsprache, wenn sie dauerhaft eingeschränkt bleibt.“
Wichtig ist:
• Ein Talker ersetzt keine verbale Sprache – er unterstützt sie.
• Kinder nutzen immer dann ihre eigene Stimme, wenn sie es können.
• Damit Kommunikation gelingt, brauchen Kinder Menschen, die das Gerät vorleben, mitnutzen und im Alltag einbinden.
So wächst Kommunikation Schritt für Schritt – im Spiel, im Miteinander und in alltäglichen Situationen.
Kann ein Kind aus einem Talker herauswachsen?
Laura: Ja – je nach Diagnose kann sich Sprache so entwickeln, dass ein Talker später nicht mehr nötig ist. Bei anderen Kindern bleibt er ein lebenslanges Hilfsmittel.
Ziel ist immer: so viel Kommunikation wie möglich aus jedem einzelnen Kind herauszuholen, in welcher Form auch immer.
Wie läuft die Beantragung eines Talkers ab?
Laura: Die Versorgung mit einem Talker erfolgt in mehreren Schritten, die immer aufeinander aufbauen. Am Anfang steht eine logopädische Einschätzung: Dabei wird geklärt, wie das Kind in Kommunikation tritt und welche Form der Unterstützten Kommunikation sinnvoll sein könnte.
Anschließend folgt ein gemeinsames Gespräch zwischen Eltern, Therapeut*innen und einem Sanitätshaus. Dort werden unterschiedliche Geräte und Softwarelösungen vorgestellt und geprüft, welches Modell zum Kind passt.
Wichtig ist dabei immer der Blick auf den Alltag:
• Kann das Kind das Gerät motorisch bedienen?
• Ist es in der Kita, Schule und zu Hause einsetzbar?
• Ist das Umfeld eingebunden und bereit, das Gerät mitzunutzen?
Da Kinder sehr unterschiedliche motorische Fähigkeiten, Aufmerksamkeitsspannen und Formen der Kommunikation haben, wird individuell entschieden, welche Lösung am sinnvollsten unterstützt.
Auf dieser Grundlage stellt die behandelnde Ärztin bzw. der Arzt ein Rezept aus, das bei der Krankenkasse eingereicht wird. In manchen Fällen bewilligt die Kasse zunächst eine mehrmonatige Testphase, in der das Kind den Talker ausprobieren kann. Während dieser Zeit wird beobachtet und dokumentiert, ob das Gerät gut bedienbar ist und ob es im Alltag tatsächlich genutzt wird.
Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, erfolgt die endgültige Bewilligung.